Das Handwerk vom Mittelalter bis Heute

Anfänge eines eigenständigen Handwerks im Mittelalter

König Heinrich 1. (919-936) verordnete zur Besiedlung seiner neu erbauten umfriedeten Städte, dass jeder neunte frei gewordene Mann in eine befestigte Stadt zu ziehen hatte. Nach der Ablösung der Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft kam es zur Entwicklung eigenständischer Berufsgruppen. Diese Handwerker schlossen sich zu Zünften zusammen und entwickelten ein durchdachtes System von Ordnungsgrundsätzen. Zunächst lag der Zweck nur in geselligen, religiösen und sozialen Bedürfnissen. Das Ziel bestand weniger in wirtschaftsregulierenden Maßnahmen. Einrichtungen der Zünfte und Regelungen zur Berufsausbildung und Berufserziehung kamen später hinzu.

 

Zünfte

Die Zünfte waren im mittelalterlichen Sozialgefüge das beste Instrument einer eigenverantwortlichen Selbstverwaltung.

Beispiele: Überwachung und Förderung der Berufsausbildung; Regelung von Lehre und Gesellenzeit; Wanderschaft und Meisterprüfung; Vorschriften über Dauer von Lehre und Wanderschaft; Gründungsvoraussetzungen für selbstständige Betriebe; Festlegung der Standorte der Betriebe.

Die Tatsache, dass z.B. die Schuhmacher oder die Fleischer oder die Weber häufig alle in einer Gasse saßen, war keinesfalls ein zufälliges Ereignis, sondern geschah auf Beschluss der jeweiligen Zünfte. Straßennamen, wie „Bäckergasse“, künden noch heute davon. Die Zünfte bekamen weitere Aufgaben! Einige Beispiele: Kontrolle über Preise, Gewichte und Güte der Leistungen; Verbot der übermäßigen und unreellen Kundenwerbung; Festsetzung der Höchstzahlen von Gesellen und Lehrlingen; eine Art Polizeigewalt mit der Möglichkeit Strafen (Geldstrafen) zu verhängen.

In der Blütezeit des Handwerks, um 1300, gliederten sich die Stammhandwerke in immer weitere spezialisierte Berufstätigkeiten. Im 14. Jh. war das Handwerk wirtschaftlich und sozial so selbstbewusst, dass es politische Gleichberechtigung mit anderen Gruppierungen (Banker, Kaufleute) verlangten und erhielten. Die folgende Aufzählung zeigt einige Stammhandwerke:

Müller; Tuchmacher / Weber; Töpfer; Schneider (Wäscheschneider, Gewandschneider); Schuhmacher / Hutmacher (Putzmacher); Bäcker / Fleisch(hauer)er; Schmiede (Grobschmied, Blechschmied, Silberschmied, Goldschmied); Wagner / Stellmacher; Fassmacher / Böttcher; Maler;

Zum Ende des Mittelalters (Ende 15. Jh. – Anfang 16.Jh.) wurde der Lebensraum des Handwerks in den Städten immer enger. Jeder Berufszweig versuchte sich durch immer strengere Maßnahmen von anderen Berufen abzugrenzen! Dies führte zu unangemessen hohen Forderungen an die Gesellen bei der Meisterprüfung (Kosten) und bei der Dauer der Wanderschaft zum Aufstieg in die Selbstständigkeit. Die regulierenden Maßnahmen und das Geldstrafensystem führten bei den Zünften zu Erstarrung in Formalismus. Diese Entwicklung brachte Handwerk und Zünfte in Misskredit, obwohl die „Organisationskrise“ im engen Lebensraum der Städte nicht nur auf das Handwerk beschränkt war. Es vollzogen sich insgesamt tiefgreifende politische, wirtschaftliche, technische und soziale Wandlungen.

 

Gewerbefreiheit

In Preußen kam es 1810 zur Einführung der Gewerbefreiheit. Am 21.06.1869 kam die Gewerbefreiheit für ganz Deutschland per Reichsgesetz. Jeder konnte sich in jeden Beruf selbstständig machen ohne Meisterprüfung und auch ohne jegliche Qualifikation. Die Folge war: Die von den Zünften aufgestellten Regeln brechen zusammen und die Zünfte selbst kommen völlig zum Erliegen! Der gesetzliche Zunftzwang wird abgeschafft und den Handwerkern eine Garantie der Gewerbefreiheit gegeben. Die Zünfte als solche wurden zwar nicht abgeschafft, jeder Handwerker war aber befugt aus der Zunft auszutreten und konnte trotzdem sein Gewerbe weiter führen. Zunftmitglieder genossen ab sofort keine besonderen Rechte und Privilegien mehr. Das war zwar nicht die offizielle Abschaffung der Zünfte, aber trotzdem deren Untergang.

In der direkten Folge machten sich in fast allen Handwerken erhebliche Mängel in der Ausbildung bemerkbar.

 

Aufbau von Kammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften

Die positive Einstellung der Regierungen zum handwerklichen Berufsstand erkannte die Notwendigkeit einer geordneten Berufsausbildung für den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit der industriellen Erzeugnisse auf dem Weltmarkt. Durch die Gewerberechtsnovellen von 1881 – 1887 wurden Innungen mit öffentlich rechtlichen Befugnissen ausgestattet und Ausbildung von Lehrlingen auf Innungsmitglieder beschränkt.

Die Gründung der Handwerkskammern in Deutschland geht auf das Handwerkergesetz von 1897 zurück. Das Reichsgesetz schuf die Voraussetzung für die Bildung der Kammern. Durch das Handwerksgesetz wurden nun Handwerkskammern errichte, das Lehrlingswesen neu geregelt und die Befugnis zur Führung des Meistertitels erteilt. Mit dieser Entwicklung konnte auf Ausbildung und auf die Qualität der handwerklichen Produkte und Dienstleistungen wieder positiv Einfluss genommen werden.

Im gesamten Deutschen Reich wurden von April 1900 an insgesamt 71 Handwerkskammern gegründet. Nach 1933 änderte sich auch für die handwerklichen Kreisorganisationen einiges. Die erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks von 1934 verfügte die Umwandlung der Handwerksämter in öffentlich-rechtliche Kreishandwerkerschaften. Alle Innungen waren fortan Pflichtmitglieder und hatten der Geschäftsstelle jährlich einen bestimmten Geldbetrag pro Betrieb zu überweisen. Damit sollten die Kreishandwerkerschaften einerseits finanziell abgesichert und andererseits gewährleistet werden, dass ihre personelle Zusammensetzung stärker der ihres Kreishandwerks entsprach. Letzteres blieb jedoch zunächst reine Theorie, denn das Prinzip der Wahl wurde durch das der Ernennung ersetzt. Sämtliche Amtsträger, die fortan „Parteigenossen“ zu sein hatten, erhielten ihre Bestallung von der jeweils übergeordneten Stelle. Der Reichswirtschaftsminister setzte also den Reichshandwerksmeister ein, dieser wieder ernannte den Kammerpräsidenten, welcher seinerseits die Kreishandwerksmeister einsetzte.

 

Handwerk im Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde wieder das Standesdenken durch Arisierung und die Einführung des Großen Befähigungsnachweises (Meisterbriefs) gestärkt. Die Handwerkskammern, deren Selbstverwaltung sofort nach der Machtergreifung beseitigt wurde, wurden ab 1942 gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern zu Gauwirtschaftskammern zusammengefasst, innerhalb derer sie aufgrund der kriegswichtigeren Bedeutung der Industrie keine bedeutende Rolle spielten. Dieser Handwerksabteilung innerhalb der Gauwirtschaftskammer stand der Gauhandwerksmeister vor, der zugleich Vizepräsident der Gauwirtschaftskammer war.

 

Das Handwerk in der Bundesrepublik

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gauwirtschaftskammern aufgelöst. 1953 wurde schließlich eine neue Handwerksordnung für das gesamte damalige Bundesgebiet verabschiedet. Sie bestätigte im Wesentlichen die bereits seit Jahren in der Praxis erprobten ordnungspolitischen Strukturen. Kern der neuen Ordnung waren die Kammern und Kreishandwerkerschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Innungsmitgliedschaft blieb freiwillig, allerdings waren die Innungen eines Kreises zur Bildung einer Kreishandwerkerschaft verpflichtet.

 

Das Handwerk in der DDR

Im August 1950 wurde von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik das Gesetz zur Förderung des Handwerks beschlossen, das nun Rechtsgrundlage der Landeshandwerkskammern der Länder war. Nach der Abschaffung der Länder in der DDR 1952 entstanden auf Grund der Verordnung vom 20. August 1953 am 30. September 1953 Handwerkskammern auf Ebene der Bezirke. Diese Kammern stellten aber genauso wenig wie die Handwerkskammern in der Zeit des Nationalsozialismus Organe der Selbstverwaltung der Wirtschaft dar. Sie waren dem Rat des Bezirkes unterstellt und dienten als juristische Berater und politische Förderer sowohl dem privaten Handwerk als auch dem Handwerksmeister, die sich in einer „Produktionsgenossenschaft des Handwerks“ (PGH) zusammengeschlossen hatten. Insbesondere hatten sie keine Aufgaben in der Berufsausbildung mehr.

Die „grandiosen Wirtschaftsreformer“ der DDR hatten für das Aus von Tausenden von Handwerksbetrieben gesorgt. Die Enteignungswelle 1971/1972 gilt als einer der Sargnägel der DDR. Das Reform-Desaster in Zahlen: 1949 gab es in der DDR noch knapp 307.000 private Handwerksbetriebe mit 1,1 Millionen Beschäftigten. 1989 nur noch 82.500 mit 220.000 Beschäftigten. Es gab neben Privathandwerk und Volkseigenen Betrieben die so genannten “Feierabendbrigaden” – privat organisierte Handwerkskolonnen, die nach Feierabend Aufträge von nicht staatlichen Kunden abarbeiteten. Vom Staat war das gewollt, obwohl die Handwerker das erwirtschaftete Geld nicht versteuern mussten.

 

Entstehung der Innungen und der Kreishandwerkerschaften in den neuen Bundesländern

Nach der Wende wurden in den neuen Bundesländern Handwerkskammern nach westlichem Vorbild geschaffen.
Ab 1990 wurden in allen Kreisen der Kammerbezirke der neuen Bundesländer Kreishandwerkerschaften wieder auf eigene Initiative der Innungen gebildet. Gelegentlich kam es sogar vor, dass die Handwerker mehr als eine Geschäftsstelle in ihrem Landkreis errichteten. So auch im Havelland.

Im April 1990 wurde die Kreishandwerkerschaft Rathenow, durch die im Kreis ansässigen Innungen für das West-Havelland, gegründet. Erster Kreishandwerksmeister war Bäckermeister Schlüter. Bis ins Jahr 2009 wechselte der Kreishandwerksmeister und die Geschäftsführung sehr oft.

Am 15.11.1990 wurde durch die Innungen im Nauener Kreis, die Kreishandwerkerschaft Osthavelland gegründet. Mit der Bestätigung ihrer Satzung durch die Handwerkskammer Potsdam, wurde der Beschluss der Innungen rechtskräftig. Als 1. Kreishandwerksmeister wurde Metallbaumeister Heinz Ziesecke gewählt. Geschäftsführer war Herr Manfred Poklitar. Heinz Ziesecke führte erfolgreiche 18 Jahre lang die Geschicke der Kreishandwerkerschaft im Osthavelland. Unter der Geschäftsführung von Manfred Poklitar und Heinz Ziesecke entstand der Neubau des Hauses in dem heute die Kreishandwerkerschaft Havelland ansässig ist. Nach dem freiwilligen Ausscheiden von Heinz Ziesecke, wurde Herr Michael Ziesecke zum Kreishandwerksmeister gewählt.

Im Jahr 2009 wurde die Fusion der Kreishandwerkerschaften Ost- und West-Havelland beschlossen. Es wurde eine Fusionssatzung erstellt und darüber abgestimmt. Die Kreishandwerkerschaft West-Havelland ist daraufhin in die Kreishandwerkerschaft Ost-Havelland integriert worden. Grund für die Fusion war die schlechte wirtschaftliche Haushaltslage der KH-Westhavelland. Ab sofort nannte sich die KH, Kreishandwerkerschaft Havelland und hat den Sitz der Hauptgeschäftsstelle in Nauen. In Rathenow wird seit der Fusion eine Geschäftsstelle für die dort ansässigen Innungen geführt.

Auch heute stellen die Kreishandwerkerschaften einen unverzichtbaren Bestandteil der bundesdeutschen Handwerksorganisation dar, und jede Gesetzesnovelle bestätigte sie daher in ihrer Stellung. Sie erledigen die Haushaltsführung und Terminplanung der Innungen, informieren, beraten, unterstützen die Betriebe in jedweder Form und vertreten sie im Bedarfsfall auch vor Gericht. Durch den Einsatz von Ermittlern tragen sie erheblich zur Bekämpfung der Schwarzarbeit bei. Sie organisieren Berufsfindungsmärkte und Messen, um dem interessierten Publikum die Bandbreite und die Möglichkeiten handwerklicher Berufe darzustellen. Für Betriebsinhaber und Existenzgründer sind sie kompetente und vertrauliche Ansprechpartner und Ratgeber in allen beruflichen und auch persönlichen Angelegenheiten. Sie arbeiten eng und produktiv mit Schulen, Behörden, Politik und Wirtschaft ihrer Kreise zusammen. In Kooperation mit Handwerkskammern und Fachverbänden erschließen sie ihren Mitgliedsbetrieben umfassende Informationen zu wichtigen Innovationsfeldern, etwa im Profiling- oder Marketingsektor. Durch den Einsatz moderner EDV-Systeme ist es den Kreishandwerkerschaften gelungen, ihr Leistungsspektrum für ihre Betriebe kontinuierlich zu erweitern und Arbeitsprozesse wesentlich zu beschleunigen. Eine weitere Effizienzsteigerung bringt die zunehmende Vernetzung der Geschäftsstellen untereinander. Auf diese Weise können lokale Spezialisierungen allen Kreishandwerkerschaften zugutekommen und erhebliche Synergieeffekte erzielt werden. Was die Kreishandwerkerschaften durchweg bei ihrer Arbeit auszeichnet, ist eine konsequent praxisorientierte und unbürokratische Arbeitsweise, mit der sie sich Innungen und Betrieben wie auch den Partnern aus Politik und Verwaltung als moderne Dienstleistungseinrichtungen und wahrhaftige „Rathäuser des Handwerks“ empfehlen.

 

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